Blaueis Tod
Eine Gletscherleiche ruht im ewigen Eis.
Der junge Bergretter, der sie findet, wird ermordet.
Eine alte Frau gibt ein Geheimnis preis.
Kurzer einblick
468 Seiten
Erschienen am 09.02.2021
Kühl war es im stillen Innenraum der vertrauten Kirche zum Heiligen Ruprecht in Wien an diesem sonst so sonnigen Herbsttag des Jahres 1938. Der Geruch verbrannter Kerzen lag über dem abgenutzten Steinboden des ehrwürdigen Gotteshauses, dessen uralte Holzbänke seit Jahrhunderten gläubige Menschen zum Gebet in die älteste Kirche der Stadt an der Donau pilgern ließen. Das hübsche Mädchen kniete still auf den groben Steinstufen vor dem prächtigen Altar. Tief im Gebet versunken, fröstelte es sie in der Kühle der Kirche. Der Herbst hatte Einzug gehalten in Wien und die Bewohner mit frischem Ostwind auf das Ende der warmen Jahreszeit aufmerksam gemacht. Sie verbarg das verweinte Gesicht in ihren feingliedrigen Händen. Leises Schluchzen tief aus ihrer unglücklichen Seele war das einzige Geräusch in der Stille des alten Kirchenschiffes. Als sie ihre Hände vom Gesicht nahm und vor den kleinen Brüsten zum Gebet faltete, konnte man ihre schönen ebenmäßigen Gesichtszüge erkennen. Über einer hohen Stirn trug sie ihr pechschwarzes Haar nach hinten gekämmt zu einem langen Zopf gebunden. In den dunklen Augen lag ein Ausdruck tiefer Traurigkeit. Große Tränen liefen über die hohen Backenknochen und verloren sich in den Fältchen der zuckenden Mundwinkel. Die vollen Lippen bebten leicht, als sie flüsternd zu beten begann. „Heilige Maria Mutter Gottes, verzeihe mir meine große Sünde.“ Ein neuerlicher Weinkrampf schüttelte den zierlichen Körper.